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Durchsetzung von Videogerichtsverhandlungen

von RA Dr. Stefan Rinke | 06.12.2022

Das Bundesministerium der Justiz stärkt mit zwei Entwürfen den Einsatz von Videogerichtsverhandlungen im Zivilprozess als auch im Strafprozess.

10 Jahre nach Einführung des § 128a ZPO steht dessen entscheidende Reform bevor: Nach einem aktuellen Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums (BMJ) soll eine Verhandlung per Bild und Ton nach § 128a ZPO zukünftig entweder durch das Gericht oder aber auch von den Parteien selbst bestimmt werden. Bisher entschied das Gericht darüber auf Antrag einer Partei, was in der Praxis die neuralgische Stelle für die Durchsetzung von Videogerichtsverhandlungen war. Nunmehr kann das Gericht eine Verhandlung per Bild und Ton anordnen, aber auch umgekehrt: Das Gericht soll dies auch anordnen, wenn die Parteien dies übereinstimmend beantragen. „Eine ausnahmsweise ablehnende Entscheidung ist vom Gericht zu begründen und anfechtbar,“ so kommentiert es das BMJ an entsprechender Stelle.

Zum Hintergrund: Nach Einführung des § 128a ZPO vor 10 Jahren wurde zwar eine Grundlage für die Verhandlung von Bild- und Ton geschaffen. Eine spürbare Umsetzung brachte aber erst die coronabedingte Anfreundung mit Videoverhandlungstechnik in Kombination mit der Präsenzproblematik. Die Zahl der Videogerichtsverhandlungen nahm deutlich zu in den letzten Jahren. Damit wurde klar, dass sich das Thema in der Praxis nur durchsetzt, wenn die Verfahrensbeteiligten es auch umsetzen. Gerichte und Gesetzgeber haben bisher immer wieder die Durchführung von Videogerichtsverhandlungen gestärkt. Das BMJ begann vor diesem Hintergrund vergangenes Jahr mit der Überarbeitung der Rahmenbedingungen für Videogerichtsverhandlungen. Im Rahmen einer Anhörung der betroffenen Fachkreise hatte RA-MICRO im Mai 2021 eine Stellungnahme zum bundesweiten Standard für Videogerichtsverhandlungen abgegeben. Auf EU-Ebene folgte im März 2022 eine Stellungnahme zur geplanten EU-Verordnung über die Digitalisierung der justiziellen Zusammenarbeit und des Zugangs zur Justiz. Aufgegriffen wurden vor allem die Vorschläge zur Verbesserung der gesetzlichen Grundlagen, die Anpassung der Beweisregelungen sowie der Protokollführung. Der Referentenentwurf ist hier veröffentlicht.

Damit dürfte eine zentrale Weichenstellung für die positive Integrierung von Videogerichtsverhandlungen erfolgt sein. Für den Strafprozess sieht ein parallel laufender Referentenentwurf aus dem BMJ vor, die Hauptverhandlung an Landgerichten und Oberlandesgerichten künftig in Bild und Ton aufzuzeichnen und das bisherige Protokoll mit dem daraus entstehenden Transkript zu ersetzen. Damit wird insgesamt die Verhandlung per Bild und Ton auf eine neue Schwelle der Integration gehoben, mit der die Möglichkeiten elektronischer Abläufe stärker und effektiver ausgenutzt werden können. Oder mit den Worten des Bundesjustizministers:

„Ein einfacher und moderner Zugang zur Justiz für alle Bürgerinnen und Bürger ist dafür unverzichtbar. Videokonferenzen sollen deshalb ein selbstverständlicher Teil des Gerichtsalltags werden. Ihren Einsatz heben wir mit unserem Entwurf auf eine neue Stufe. Wer nicht mehr von Hamburg nach München zu einer Gerichtsverhandlung fahren muss, spart Zeit und Ressourcen. Termine lassen sich leichter vereinbaren, denn die Beteiligten können eine Verhandlung oder Beweisaufnahme per Video viel einfacher in ihren Alltag einfügen.“ Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann
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