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Bundestag verabschiedet Gesetz zur Förderung digitaler Gerichtsverhandlung

von RA Dr. Stefan Rinke und Raphael Szkola | 18.06.2024

Nach langem Ringen im Vermittlungsausschuss hat der Bundestag das Gesetz zur Förderung von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten verabschiedet.

Der Deutsche Bundestag hat am 14. Juni 2024 das Gesetz zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten verabschiedet. Hintergrund ist der weitere Ausbau des Elektronischen Rechtsverkehrs, wobei der Ausbau der Videokonferenztechnik ein entscheidendes, aber auch lange diskutiertes Thema war, das bis zuletzt im Vermittlungsausschuss lag. Dieser hat am 12. Juni 2024 eine Beschlussempfehlung vorgelegt, die nun im Bundestag angenommen wurde.

Das Gesetz umfasst mehrere wesentliche Änderungen und Erweiterungen, die den Einsatz von Videokonferenztechnik in Gerichtsverfahren erleichtern sollen. Der Einsatz von Videokonferenztechnik wird erheblich ausgeweitet, sodass mündliche Verhandlungen und andere gerichtliche Termine wie Urteilsverkündungen künftig auch ohne physische Anwesenheit am Gerichtsort stattfinden können. Dazu bestimmt das Gesetz, dass die Bundesregierung und die Landesregierungen ermächtigt werden per Rechtsverordnung vollvirtuelle Videoverhandlungen zum Zwecke ihrer Erprobung zuzulassen. Dann wäre selbst der Spruchkörper nicht physisch im Gericht präsent, sondern die gesamte Gerichtsverhandlung würde digital stattfinden. Weitere Änderungen sind unter anderem:

  • Erleichterung der Protokollführung: Die Nutzung dieser Technik soll auch die Protokollführung vereinfachen, indem beispielsweise die Möglichkeit besteht, Videoaufzeichnungen für Protokollzwecke zu verwenden.
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  • Öffentlichkeit der Verhandlungen: Um die Öffentlichkeit bei vollvirtuellen Verhandlungen sicherzustellen, müssen diese in einem öffentlich zugänglichen Raum im zuständigen Gericht übertragen werden.
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  • Evaluierung und Berichterstattung: Das Bundesministerium der Justiz wird beauftragt, die Erfahrungen mit vollvirtuellen Videoverhandlungen in regelmäßigen Abständen zu evaluieren und die Ergebnisse zu berichten.
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  • Technische und organisatorische Rahmenbedingungen: Die genauen technischen und organisatorischen Anforderungen für die Durchführung von Videokonferenzen und die Herstellung der Öffentlichkeit wurden im Gesetz klar definiert.
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Auf dem Weg zur Verständigung auf die neuen Rahmenbedingungen hat sich dagegen nicht behaupten können, dass die Verfahrensbeteiligten die Ansetzung einer Videogerichtsverhandlung quasi durchsetzen können. Nach dem verabschiedeten Gesetz entscheidet das Gericht als “kann”-Vorschrift über den entsprechenden Antrag eines Verfahrensbeteiligten, vgl. § 102a Abs. 2 ZPO n.F. Eine Ablehnung ist lediglich zu begründen, was sich vornehmlich auf § 102a Abs. 1 ZPO n.F. beziehen dürfte, wonach eine Videoverhandlung nur in “geeigneten Fällen” und bei “ausreichenden Kapazitäten” durchgeführt werden kann.

Damit können die Verfahrensbeteiligten eine Videogerichtsverhandlung nicht direkt durchsetzen, sondern lediglich darauf hinwirken. Im Zusammenspiel mit der Erprobung vollvirtueller Gerichtsverhandlungen könnte sich hier aber der Kreis schließen, weil damit zumindest Kapazitätenengpässe reduziert werden, wenn auch die Richterschaft sich unabhängig vom Gerichtssaal einfach zuschalten kann, ohne aufwendige Gerichtssaalausstattung.

Das Gesetz tritt nach seiner Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt in Kraft. Bis dahin gibt ein Praxisportal einen Überblick, welche Gerichte bereits Videogerichtsverhandlungen durchführen.

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