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LAG Baden-Württemberg: Altersdiskriminierung durch Begriff „Digital Native“

von Ass. Jur. Lisa Ritter | 22.04.2025

„Digital Native“ in einer Stellenanzeige stellt ein Indiz für eine Altersdiskriminierung gemäß AGG dar. Der abgelehnte Bewerber erhält eine Entschädigung.

Der Fall: Was war passiert?

Der Kläger, geboren 1972 und Diplom-Wirtschaftsjurist, hatte sich auf eine Stelle als Manager Corporate Communications bei einem Sportartikelunternehmen beworben. In der Anzeige wurde unter anderem betont, man suche jemanden, der sich „als Digital Native“ in digitalen Medien und Programmen wie DTP, CMS und redaktionellem Arbeiten zu Hause fühlt. Trotz passender Qualifikationen und Berufserfahrung erhielt er eine Absage.

Der Bewerber sah sich aufgrund seines Alters benachteiligt und klagte auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von fünf Monatsgehältern – und bekam zumindest teilweise recht.

Das Urteil: Begriff mit Generationenbezug

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg stellte klar: Der Begriff „Digital Native“ sei keine neutrale Beschreibung technischer Kompetenz, sondern beziehe sich auf eine bestimmte Generation – nämlich Personen, die mit digitalen Technologien aufgewachsen sind. Menschen, die vor 1980 geboren wurden, gehörten nach allgemeinem Sprachgebrauch regelmäßig nicht zu den „Digital Natives“ (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 07.11.2024 – 17 SA 2/24).

Diese Formulierung verstoße daher gegen § 11 AGG, der eine diskriminierungsfreie Ausschreibung von Arbeitsplätzen vorschreibt. In der Folge greife § 22 AGG, der dem abgelehnten Bewerber eine Beweiserleichterung verschafft: Wenn ein Indiz für eine Diskriminierung vorliegt, muss der Arbeitgeber beweisen, dass andere, nichtdiskriminierende Gründe ausschlaggebend waren.

Der Arbeitgeber konnte Diskriminierung nicht entkräften

Der beklagte Arbeitgeber versuchte, die Absage mit einer angeblichen Überqualifikation, einer zu hohen Gehaltsvorstellung (90.000 € statt ausgeschriebener 60.000 €) sowie einem fehlenden Hinweis auf Sportaffinität zu begründen. Das Gericht ließ diese Argumente jedoch nicht gelten:

Der Kläger erfüllte alle fachlichen Anforderungen, die „Überqualifikation“ wurde nicht konkret nachgewiesen.

Die Gehaltsvorstellung bewegte sich im branchenüblichen Rahmen und lag im üblichen Verhandlungsspektrum. Die Stellenausschreibung enthielt auch keinerlei Angaben zum Gehalt – der Kläger habe die Höhe des Budgets nicht kennen können.

Ein Hinweis auf Sportaffinität war in der Ausschreibung nicht zwingend gefordert.

Das Gericht wies auch den Einwand zurück, der Kläger habe sich nur zum Schein beworben, um eine Entschädigung zu erlangen und verhielte sich deshalb rechtsmissbräuchlich. Seine Argumente für einen Umzugswunsch in den süddeutschen Raum – wo ein Großteil seiner Familie lebt – seien nachvollziehbar. Auch sein späterer Arbeitsantritt in Frankfurt am Main belege seine räumliche Flexibilität.

Ergebnis: Entschädigung in Höhe von 7.500 €

Das Gericht hielt eine Entschädigung in Höhe von 1,5 Monatsgehältern, also 7.500 €, für angemessen.

Praxishinweis für Arbeitgeber

Das Urteil zeigt eindrucksvoll, wie sensibel die Formulierungen in Stellenausschreibungen gewählt werden müssen. Begriffe wie „Digital Native“, „Teambuddy“ oder „dynamisches Team“ bergen – so modern und attraktiv sie klingen mögen – das Risiko, Bewerber (w/m/d) bestimmter Altersgruppen auszuschließen und dadurch unmittelbar zu diskriminieren.

Arbeitgeber sind gut beraten, ausschließlich anforderungsbezogene und diskriminierungsfreie Kriterien zu formulieren. Entscheidend sollte immer die fachliche Eignung, nicht das (vermeintliche) Alter oder die kulturelle Passung zum Team sein.

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