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Elektronischer Rechtsverkehr auf EU-Ebene

von RA Dr. Stefan Rinke | 02.04.2024

Die EU-Verordnung 2023/2844 über die Digitalisierung der justiziellen Zusammenarbeit bringt den Elektronischen Rechtsverkehr auf EU-Ebene entscheidend voran.

In jüngster Zeit hat die Bundesregierung zahlreiche Schritte auf den Weg gebracht, den Elektronischen Rechtsverkehr deutlich zu stärken, insbesondere im Hinblick auf die Abschaffung letzter Formvorschriften und den Einsatz von Videokonferenztechnik. Die Maßnahmen dienen auch der Angleichung an die Europäischen Standards, welche in grenzüberschreitenden Zivil- und Strafverfahren ab dem 1. Mai 2025 EU-weit gelten.

Mit Jahresbeginn wurde die EU-Verordnung 2023/2844 „über die Digitalisierung der justiziellen Zusammenarbeit und des Zugangs zur Justiz in grenzüberschreitenden Zivil-, Handels- und Strafsachen und zur Änderung bestimmter Rechtsakte im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit“ in Kraft gesetzt. Dabei stellt der Anwendungsbereich der grenzüberschreitenden Zivil-, Handels- und Strafsachen das Herzstück des Europäischen Verfahrensrechts dar, was durch die Freizügigkeit für Personen und Wirtschaft auch mehr und mehr die Anwaltspraxis beschäftigt. Die Anhänge I und II der Verordnung listen ausdrücklich die insgesamt 24 Rechtsakte auf, die mit der Verordnung in den Elektronischen Rechtsverkehr überführt werden, darunter etwa die EuGVVO, das Europäische Mahnverfahren oder die Verordnungen zum Europäischen Familienrecht.

Die EU-Verordnung regelt im Kern die Elektronische Kommunikation der Beteiligten einschließlich des Einsatzes von Videokonferenztechnik, vgl. Art. 1 VO 2023/2844. Während bisher in vielen Bereichen noch Papier das führende Medium für Antragsstellungen etc. war, wird nunmehr zentral das europäische E-Justiz-Portal eingesetzt, was als europäische elektronische Anlaufstelle dient. Somit behalten alle Mitgliedstaaten ihre Justizeinrichtung in eigener Hand, grenzüberschreitend wird aber zentral und elektronisch kommuniziert. Im Rahmen der Verordnungsentstehung hatte RA-MICRO in einer Stellungnahme an die EU-Kommission einen zentralen Ansatz gefordert, was sich insoweit wiederfindet.

Die Identifikation erfolgt am Europäischen Zugangsportal durch persönliche Authentifizierung und bei Schriftstücken über qualifiziert elektronische Signaturen. Ähnlich wie im deutschen Verfahrensrecht sieht die Verordnung auch Ersatzmaßnahmen bei vorübergehenden Ausfallszenarien vor. Im Übrigen bleibt aber auch das Recht auf Anwesenheit in der Verhandlung als Europäisches Verfahrensrecht ausdrücklich unberührt.

Darüber hinaus wird der Einsatz von Videokonferenz- oder anderen Fernkommunikationstechnologien festgeschrieben, wobei Durchsetzbarkeit und das Thema derer Aufzeichnung von den nationalen Besitzständen abhängig gemacht wird, was auch der Grundsatz für die Einleitung und Durchführung von Anhörungen in Strafverfahren ist. Während aber im Ergebnis bisher nur ein Ersuchen um die Nutzung digitaler Kommunikationswege möglich war, wird nun ein rechtssicherer Rahmen für deren Verwendung geschaffen, was insbesondere bei Auslandszeugen oder anderer Beteiligung umständliche Rechtshilfeersuchen entbehrlich macht. So werden gerade in grenzüberschreitenden Strafsachen, aber insbesondere auch in Familiensachen die Verfahrenserleichterungen spürbaren Einfluss auf die Verfahrensgestaltung nehmen, während sich in Zivilsachen hauptsächlich eine effektivere Rechtswahrnehmung umsetzen lässt.

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