von RA Dr. Stefan Rinke | 08.04.2024
Sowohl im materiellen Arbeitsrecht als auch im Arbeitsverfahrensrecht sind Erleichterungen der Schriftformerfordernisse geplant.
Nicht nur Fachanwälte für Arbeitsrecht kennen dieses Rechtsgebiet als eine letzte Bastion der Papierwelt. Der auf diese Weise geförderte Aspekt des Arbeitnehmerschutzes führt mitunter aber zu anachronistischen Entwicklungen: Noch 2022 hatte der deutsche Gesetzgeber die EU-Arbeitsbedingungenrichtlinie überschießend umgesetzt – ist also weitergegangen als die europäischen Vorgaben es vorsahen – als er das Nachweisgesetz (NachwG) ausweitete, was für den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen Anwendung findet. Bis heute müssen wegen den Regelungen im NachwG die Kernbedingungen von Arbeitsverträgen schriftlich nachgewiesen werden, was indirekt zum Schriftformerfordernis für Arbeitsverträge führt, obwohl dies materiell-rechtlich nicht vorgesehen ist.
Zwei Jahre später plant der Gesetzgeber nun die Abkehr von dieser Schriftformstrecke. Der Gesetzgeber drängt im Zuge der Digitalisierungsagenda gerade grundsätzlich die Textform in vielen Regelungsbereichen des BGB zurück. Ein wichtiger Aspekt des mittlerweile vierten Bürokratieentlastungsgesetz ist dabei die Korrektur des NachwG (Art. 44 BEG IV-E), wonach die Nachweispflicht in Schriftform grundsätzlich entfällt. Der Gesetzgeber bestätigt ausdrücklich, dass die Europäische Arbeitsbedingungenrichtlinie eingehalten bleibt, womit quasi die überschießende Umsetzung zurückgenommen wird.
Weiterhin in Schriftform müssen arbeitsvertragliche Kündigungen ausgefertigt sein, hier ist gemäß § 623 BGB die elektronische Form weiterhin ausgeschlossen. Hier kommt ein neuer Regierungsentwurf vom 6. März 2024 zum Tragen, der die weitere Digitalisierung der Justiz zum Gegenstand hatte. Dieser sieht eine Neufassung des § 130a Abs. 3 ZPO vor:
„Soll ein schriftlich einzureichender Antrag oder eine schriftlich einzureichende Erklärung einer Partei oder eines Dritten als elektronisches Dokument eingereicht werden, so kann der unterschriebene Antrag oder die unterschriebene Erklärung in ein elektronisches Dokument übertragen und durch den Bevollmächtigten, den Vertreter oder den Beistand nach Satz 1 übermittelt werden.“RegE zur weiteren Digitalisierung der Justiz v. 06.03.2024, S. 13 und 64
Und ein neuer § 130e ZPO regelt sogar eine Formfiktion:
„Ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die der schriftlichen oder der elektronischen Form bedarf, in einem vorbereitenden Schriftsatz enthalten, der als elektronisches Dokument nach § 130a bei Gericht eingereicht und dem Empfänger zugestellt oder mitgeteilt wurde, so gilt die Willenserklärung als in schriftlicher oder elektronischer Form zugegangen. Dies gilt auch dann, wenn die Ersetzung der schriftlichen Form durch die elektronische Form ausgeschlossen ist.“RegE zur weiteren Digitalisierung der Justiz v. 06.03.2024, S. 13 und 65
Somit würde zumindest im anwaltlich begleiteten Arbeitsrechtsverfahren formwirksam ohne Rückgriff auf Papier auch eine arbeitsrechtliche Kündigung ausgesprochen werden können. Im Ergebnis werden letztlich Kernthemen der anwaltlichen Arbeitsrechtspraxis von Schriftformerfordernissen befreit. Während im materiellen Arbeitsrecht eine Hintertür für die Schriftform wieder zugemacht wird, wird im Arbeitsverfahrensrecht eine zugunsten der elektronischen Arbeitsweise geschaffen.