von Lisa Ritter | 03.06.2025
Wann das BEM Pflicht ist, wie es abläuft und welche Maßnahmen wirklich helfen – kompakt erklärt mit praktischen Tipps für Arbeitgeber.
Langzeiterkrankungen sind kein Einzelfall – auch nicht in Kanzleien
Fallen Mitarbeiter über längere Zeit krankheitsbedingt aus, stehen Arbeitgeber – und damit auch jede einzelne Kanzlei – vor besonderen Herausforderungen. Wer übernimmt die Aufgaben? Wie lange kann man abwarten? Und welche arbeitsrechtlichen Schritte sind zulässig – oder sogar geboten?
Oft wird übersehen, dass der Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen gesetzlich verpflichtet ist, ein sogenanntes Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchzuführen. Das Ziel: Gemeinsam nach Wegen suchen, wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden und einer Kündigung vorgebeugt werden kann.
Wann muss ein BEM durchgeführt werden?
Gemäß § 167 Abs. 2 SGB IX ist ein BEM immer dann anzubieten, wenn Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind – unabhängig von der Betriebsgröße oder der Ursache der Erkrankung.
Das BEM ist keine bloße Formalie, sondern ein zentraler Bestandteil des betrieblichen Gesundheitsschutzes. Es gilt für alle Mitarbeiter, nicht nur für Menschen mit Schwerbehinderung.
Ablauf eines BEM-Verfahrens – Schritt für Schritt
1. Anschreiben an den betroffenen Mitarbeiter oder die betroffene Mitarbeiterin
Der Arbeitgeber muss der erkrankten Person schriftlich anbieten, ein BEM-Verfahren durchzuführen. Die Teilnahme ist für den Arbeitnehmer freiwillig – ohne ein solches Angebot kann jedoch eine spätere krankheitsbedingte Kündigung vor Gericht schwerer durchsetzbar sein.
2. Einwilligung und Datenschutz
Voraussetzung für die Durchführung eines BEM ist die schriftliche Einwilligung der betroffenen Person. Diese umfasst insbesondere die Zustimmung zur Verarbeitung sensibler Gesundheitsdaten, die im Verlauf des Verfahrens besprochen oder dokumentiert werden.
3. Klärung des Unterstützungsbedarfs
In einem strukturierten Gespräch – auf Wunsch des Arbeitnehmers unter Beteiligung des Betriebsrats oder des Integrationsamts – wird gemeinsam erörtert, welche Maßnahmen eine Rückkehr an den Arbeitsplatz ermöglichen und die Gesundheit langfristig stabilisieren können.
4. Maßnahmenplanung
Mögliche Maßnahmen sind zum Beispiel die stufenweise Wiedereingliederung, Anpassungen am Arbeitsplatz, flexible Arbeitszeitmodelle oder unterstützende Hilfsmittel.
5. Dokumentation und Umsetzung
Der Verlauf und das Ergebnis des BEM sollten dokumentiert, die vereinbarten Maßnahmen umgesetzt und bei Bedarf nachjustiert werden.
BEM in kleinen Kanzleien – praktische Tipps
• Auch ohne eigene Personalabteilung lässt sich ein BEM gut strukturieren. Wichtig ist ein wertschätzender und transparenter Umgang.
• Eine Checkliste und ein Musterschreiben zur Einladung können helfen, rechtssicher zu agieren.
• Ziehen Sie frühzeitig externe Stellen hinzu – etwa den Betriebsarzt oder das Integrationsamt.
• Dokumentieren Sie Ihre Schritte – das kann im Streitfall entscheidend sein.
Warum ein BEM auch im Interesse der Kanzlei liegt
Ein rechtssicher geführtes BEM schützt nicht nur vor arbeitsrechtlichen Risiken, etwa im Rahmen einer krankheitsbedingten Kündigung. Es fördert die Bindung zum Unternehmen, zeigt Wertschätzung und kann helfen, erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dauerhaft zu halten.
Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist das BEM deshalb mehr als nur eine Pflicht – es ist eine Investition in die Zukunft der Kanzlei.
Fazit
Das Betriebliche Eingliederungsmanagement ist auch in Kanzleien ein wichtiges Instrument, um mit Langzeiterkrankungen professionell umzugehen. Ein strukturiertes Verfahren bietet rechtliche Sicherheit – und signalisiert gleichzeitig Fürsorge und Wertschätzung.